Leseprobe: Namen können sprechen

Familiennamen sind in Deutschland noch keine tausend Jahre alt. Vorher genügten die Vornamen. Aber als es immer mehr Peters und Annas und Davids und Christinen gab, mußte man schließlich den einen Peter vom anderen unterscheiden können.

So entstanden die Familiennamen: Peter Schneider oder Peter Bäcker, Christine Richter oder Christine Bauer. Aber das mit den Namen ist so eine Sache.

Die Juden in Deutschland heißen meist ein bißchen anders als Schmitz oder Müller. Sie heißen zum Beispiel Berliner, Frankfurter, Bamberger oder Goldstein und Schächter oder wie Ihr, David und Anna: Finkelgruen.

Oft konnte man an den Namen die Berufe der Menschen erkennen: Bäcker, Müller, Schuster, Bauer, Richter. Manchmal sagten die Namen etwas darüber aus, wo jemand wohnte oder was ihm gehörte: der Herr Oberhofer (oder Hohoff) besaß wahrscheinlich den oberen Hof im Dorf, die Familie Seehaus wohnte vermutlich in einem Haus am See, und der Herr Waldbauer hatte seine Äcker nicht weit vom Wald.

Andere Menschen, die vor Verfolgung und Krieg in ihrem Land geflohen waren, konnte man an ihren Namen erkennen. Die Meauberts (Mobäa) oder Lafontaines (Lafontän) waren wahrscheinlich aus Frankreich geflohene Protestanten, die von den Katholiken verfolgt wurden. Sicher kennt Ihr auch Namen wie Kowalski oder Litbarski.

Daran kann man erkennen, daß ihre Vorfahren vor der damaligen Hungersnot in Polen nach Deutschland geflohen waren. Heute sieht man im Fernsehen wieder viele Menschen, die vor Gewalt und Bomben fliehen. Sie bringen ihre Namen mit in die Länder, die sie aufnehmen.

Auch die Juden in Deutschland waren ursprünglich Flüchtlinge. Vor zweitausend Jahren waren sie vor den feindlichen Römern aus ihrem Land (dort, wo heute Israel und Palästina sind) in alle Himmelsrichtungen geflohen: in die arabischen Nachbarländer, nach Rußland, nach Spanien und Frankreich, auch nach Deutschland.